Etwa hundert Jahre nach der Entdeckung des Penicillins ist die Wirksamkeit von vielen Antibiotika zumindest fragwürdig. Neue Wirkmechanismen und grundlegende Veränderungen in der Methodik, neue Medikamente zu finden, sind vielversprechend, aber auch schneller als die Entwicklung von Resistenzen?

Unsere Antibiotika basieren auf Naturstoffen. Schon der erste Vertreter, das Penicillin (A. Fleming 1928) wurde aus dem Schimmelpilz Penicillium Chrysogenum gewonnen. Die heutigen Wirkstoffe werden von Mikroorganismen oder rein synthetisch hergestellt. Ihrer Wirkung liegen zwar unterschiedliche Mechanismen zu Grunde, doch eines haben sie alle gemein: sie töten die Erreger (meist Bakterien) ab. Was auf den ersten Blick Sinn der Sache ist, hat den unangenehmen Nebeneffekt, dass dadurch ein hoher Selektionsdruck erzeugt wird: Wer sich der Wirkung des Antibiotikums entziehen kann, überlebt. Und vererbt die neu gewonnene Eigenschaft.
Schon wenige Jahrzehnte nach der ersten Anwendung von Penicillin wurde über Resistenzen berichtet. Die WHO berichtete 2021 im Fact Sheet Antimicrobial Resistance über Resistenzquoten von bis zu 92.9 % für Escherichia coli und bis zu 74.4 % für Klebsiella pneumoniae. Die Quoten variieren stark von Land zu Land je nach Alltäglichkeit des Gebrauchs von Antibiotika.
Doch nicht nur der manchmal ungerechtfertigte Gebrauch der Medikamente im humanen Gesundheitswesen und in der Agrarwirtschaft sind für das Problem der Resistenzen verantwortlich. Die spärliche Entwicklung neuer Wirkstoffe seit den 60-er Jahren hat den Bakterien einen mächtigen Zeitvorsprung verschafft.
Wirkmechanismen bekannter Antibiotika und Ausbildung von Resistenzen
Antibiotika wirken entweder über die Hemmung der Zellwandsynthese der Bakterien oder über die Störung der Proteinbiosynthese am bakteriellen Ribosom. Dies kann z. B. über die Inhibition der an diesem Prozess beteiligten Enzyme wie z. B. der DNA- Polymerase geschehen, oder über die Erzeugung von DNA- Schäden im bakteriellen Genom.
Natürlicherweise kommt es aber immer wieder dazu, dass Bakterien Wege finden, diesen Wirkungen auszuweichen. So kann ein gehemmtes Enzym überexprimiert werden, oder ein anderes Protein übernimmt eine ähnliche Funktion eines durch Antibiose geschädigten. Es kommt sogar vor, dass Wirkstoffe, die erfolgreich in Bakterienzellen eingedrungen sind, durch spezielle Transportmechanismen wieder ausgeschleust werden. In einigen Fällen, bei den β-Lactam-Antibiotika, kommt die Resistenz dadurch zustande, dass die Bakterien selbst den Wirkstoff inaktivieren. Hier ist das durch Hydrolyse des Lactam-Rings der Fall.

Bakterien in der Lage, durch Genaustausch (z. B. über Transduktion oder Konjugation) diese neue Information mit anderen Bakterien auszutauschen. „Resistenzgene“ können also übermittelt werden.
Auf der Suche nach neuen Wirkstoffen
Die Grundlage dafür, aktiv gegen Resistenzen vorzugehen, ist natürlich die Kenntnis darüber, wie Wirkstoffe wirken und wie Resistenzen ausgebildet werden. Diese Arbeit ist bereits getan. Bei der Suche nach neuen Wirkstoffen wird heute eine computergestützte Empirik betrieben. Parameter wie Wasserlöslichkeit, Bindungsaffinität, Toxizität und Zellpermeabilität auf Basis von bekannten Wirkstoffen werden in Datenbanken mit gigantischer Menge an Naturstoffen eingefüttert, die dann potenzielle Wirkstoffe präsentiert, die ähnliche Eigenschaften haben wie bekannte Antibiotika. Auch Genome Mining ist so ein Substanz-Screening-Verfahren. Wie bei allen Lebewesen ist der Großteil des Genoms inaktiv. Beim Genome Mining wird gezielt nach Genen gesucht, die für eine jeweilige Anwendung (Antibiotika, Cytostatika) interessante Proteine codieren.
Auch neue Wirkmechanismen werden diskutiert. Der Wirkstoff Platensimycin ist der erste Vertreter einer neuartigen Strukturklasse, die über die Störung der Fettsäuresynthese den Aufbau der Bakterien-Zellwand stören.
Auch zur Störung der Zellteilung gibt es neue Ansätze wie die antibiotisch wirksamen Acyldepsipeptide (ADEPs). Das 2015 vorgestellte Teixobactin hemmt die Zellwandsynthese gleich mehrfach.
Klug ist die Anwendung von Substanzen, die über mehr als einen Mechanismus wirken. Sog. Definsine wie z. B. Plectasin stört die Zellwandsynthese und stimuliert gleichzeitig das Immunsystem.
Durch die Ausweitung der Suche nach neuen antibiotischen Stoffen beschränken sich ForscherInnen seit einiger Zeit nicht mehr auf die ursprünglich untersuchten Bodenbakterien, sondern werden auch in ganz anderen Systemen fündig: In 300 m Meerestiefe, auf der Oberfläche von Borkenkäfern oder in See-Schwämmen.
Abschwächen der Virulenz
Ein neuer Ansatz, der das Problem bei der Wurzel packt, ist das Abschwächen der Virulenz im Gegensatz zum Ziel, das Bakterium zu töten und damit Selektionsdruck zu erzeugen. Solche Medikamente wären jedoch sehr selektiv und man bräuchte schnell Gewissheit darüber, um welchen Krankheitserreger es sich handelt, wenn man ihn behandeln will.
Literatur:
- F. Harrison et al.: A 1,000-Year-Old Antimicrobial Remedy with Antistaphylococcal Activity, mBio. Band 6, 2015.
- P. H. Mygind et al.: Plectasin is a peptide antibiotic with therapeutic potential from a saprophytic fungu, Nature. 437 (7061): 975-980, 2005.
- P. Sass et al.: Antibiotic acyldepsipeptides activate ClpP peptidase to degrade the cell division protein FtsZ, Proceedings of the National Academy of Sciences,108 (42): 17474-17479, 2011.
- C. Fischbach et al: New Antibiotics from Bacterial Natural Products, Nature Biotechnology 24(12): 1541-1550, 2006.
- C. Nathan: Antibiotics at the Crossroads, Nature 431: 899-902, 2004.
- J. Wang et al, Platensimycin is a selective FabF inhibitor with potent antibiotic properties, Natutre, 441: 358–361, 2006.
- R. Shukla et al: Teixobactin kills bacteria by a two-pronged attack on the cell envelope, Nature, 608 (7922): 390-396, 2022.