Das Gen-Taxi fährt mit GPS

Als Gen-Taxis werden funktionale Polymere bezeichnet, die Wirkstoffe umhüllen und zielsicher zu bestimmten Zellen transportieren. Die Herausforderungen im Design solcher Transportmoleküle liegt nicht nur im eigentlichen Transport, sondern auch in Aufnahme ins Zellinnere und der Freisetzung des Wirkstoffs.

Gegen Infektionen und Entzündungsprozesse existieren bereits eine Reihe von guten Wirkstoffen. Diese wirken allerdings systemisch auf den ganzen Körper. Es werden deshalb relativ hohe Dosen verabreicht, um auch am Infektionsort eine Wirkung zu erzielen. Das ist mit manchmal mit unerwünschten Nebenwirkungen verbunden. Um Wirkstoffe gezielt an den Infektionsort zu bringen, verfolgt der Ansatz der Gen-Taxis eine clevere Strategie.

Es ist kein revolutionärer mensch-gemachter Ansatz, sondern eine Kopie dessen, was in der Natur seit jeher und ständig passiert. Hier sind es Viren, die ihren „Wirkstoff“, ihre eigene Erbsubstanz, in unsere Zellen einschleusen. Trotzdem ist die Entwicklung von ähnlichen Transportmolekülen kein Kinderspiel.

Im Falle der Gen-Taxis sind die Taxis an sich Polymere wie z. B. die jüngst bekannt gewordenen Lipid Nanopartikel (LNPs). Dr. Anja Träger vom Jena Center for Soft Matter entwickelt solche polymeren Nanotransporter. Neben genetischem Material wie DNA oder RNA können aber auch Proteine oder kleinere Wirkstoffmoleküle als Fahrgäste in den Taxis fungieren.

Die Polymere haben einen Durchmesser von etwa 100 nm und sind damit 500-mal dünner als ein menschliches Haar. Die Ansprüche an die Transportmoleküle sind hoch: Sie müssen ihren Inhalt stabil und zuverlässig verpacken, der Transport muss direkt und ohne Umwege von statten gehen und es muss möglich sein, bestimmte Zelltypen zu adressieren. Von einer Wirkung auf das Immunsystem sollen z. B. Muskelzellen unbehelligt bleiben. Die Transportmoleküle müssen auf dem Weg zu ihren Zielzellen vom Immunsystem unbemerkt bleiben, dürfen nicht mit Blutproteinen wechselwirken, enzymatisch abgebaut werden und sollen eine gute Wasserlöslichkeit zeigen. Zudem müssen sie so beschaffen sein, dass ihr Inhalt am Zielort einfach und vollständig ausgepackt werden kann. Dann hätten sie ihre Funktion erfüllt und könnten abgebaut werden. Dabei ist wichtig, dass sie sich zu gesundheitlich unbedenklichen Einzelteilen zersetzen lassen.

Um selektiv und spezifisch am Zielort einzugreifen, kann z. B. der Stoffwechsel von Zellen ausgenutzt werden. Die Nanotransporter werden dann gezielt mit einem Nährstoff ausgestattet, der für bestimmte Zelltypen spezifisch ist. Diese und andere Strategien gewährleisten, dass die Wirkstoffe direkt da ankommen, wo sie gebraucht werden und sind quasi das Navigationssystem der Gen-Taxis.

Die Bindung des Wirkstoffs an das Polymer findet im Falle von Nukleinsäuren über die ionische Wechselwirkung der negativ geladenen Phosphatreste an die positiv geladenen Polymermoleküle statt.   

Der Transport ins Zellinnere findet über Endosomen statt. Das sind membrangebundene Zellorganellen, die in einem ersten Schritt mit der Oberfläche der Transportpolymere wechselwirken. In einem zweiten Schritt wird die Membran an dieser Stelle eingestülpt und in einem dritten Schritt abgeschnürt. Das mit Wirkstoff beladene Polymer befindet sich nun in einem Vesikel im Zellinneren.

Schematische Darstellung der Aufnahme von Substanzen durch Endozytose
Schematische Darstellung der Aufnahme von Substanzen durch Endozytose (Quelle: Wikipedia)

Doch damit ist die Reise des Wirkstoffs durch den Körper noch nicht ganz beendet, es muss noch aus dem Transportmolekül ausgepackt werden. An den Mechanismen der Freisetzung (endosomal escape) und der Beeinflussung dahin, dass Wirkstoffe schnell und effizient in der Zelle verfügbar sind, forscht auch die Arbeitsgruppe von Anja Jäger. Dafür werden unterschiedliche Polymer-Systeme getestet, die über hydrophobe Interaktionen, pH-Wert abhängige Mizellen oder auch pH-unabhängige Polymere, die auf Aminen basieren, funktionieren. Ob und wann ein Wirkstoff in den Zellen freigesetzt wird, wird über einen Farbstoff im Inneren des Transportmoleküls elektronenmikroskopisch verfolgt.

Die Weiterentwicklung der Gen-Taxis ist also bei weitem nicht abgeschlossen und auch wenn das System um das PEG-Polymer gut etabliert ist, wird es in Zukunft Alternativen geben.


Literatur:

  1. H. Shete et al., Endosomal escape: a bottleneck in intracellular delivery, J. Nanosci. Nanotechnol., 14 (1): 460-474, 2014.
  2. F. Richter et al., Tuning of Endosomal Escape and Gene Expression by Functional Groups, Molecular Weight and Transfection Medium: A Relationship Study, J. Mater. Chem. B, 8: 5026-5041, 2020.
  3.  T. Bus et al., The Great Escape: How Cationic Polyplexes Overcome the Endosomal Barrier, J. Mater. Chem. B, 6: 6904-6918, 2018.

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