Das Beweismittel aus dem Zellkern – DNA-Analyse in der Kriminaltechnik

Es ist an sich nichts Neues, dass anhand von DNA-Spuren TäterInnen überführt oder Opfer identifiziert werden können. Zumindest sofern sich ihre DNA-Sequenz in der polizeilichen Datenbank befindet. Zwei neuere Methoden erleichtern die Ermittlungsarbeit auch in Fällen, bei denen die Datenbank keinen Treffer anzeigt.

Unser Genom besteht aus drei Milliarden Basenpaaren. Nur etwa drei Prozent davon kodieren für Genprodukte, wie z. B. Proteine. Noch viel weniger, nämlich nur knappe 0.5 % unterscheiden sich von Mensch zu Mensch. Eine Möglichkeit solche genetischen Unterschiede zur Differenzierung von Menschen zu nutzen, basiert auf den sog. Short Tandem Repeats (STRs). Das sind DNA- Abschnitte mit Wiederholungseinheiten von wenigen Basenpaaren.    

Short Tandem Repeat der Abfolge A-T, A-T, T-A, G-C (Adenin grün, Thymin rot, Guanin blau, Cytosin gelb)

Solche Abschnitte entstehen durch Mutationen, sind aber in der Regel nicht mit dem Auftreten von Krankheiten oder Störungen verbunden. In unserem Genom kommen mehrere hunderttausend solcher Wiederholungseinheiten vor. Wie ein Fingerabdruck sind sie typisch für einen speziellen Menschen. STRs werden weitervererbt. Das Ausmaß gemeinsamer Repeat-Abschnitte kann also den Verwandtschaftsgrad anzeigen.

Eine weitere personentypische Besonderheit in der DNA-Sequenz sind Unterschiede in einem einzigen Basenpaar, sog. Single Nucleotide Polymorphismen (SNPs).

Single Nucleotide Polymorphism am Beispiel von drei Varianten.
Single Nucleotide Polymorphism am Beispiel von drei Varianten: Person 1 (oben) trägt an der Stelle das Basenpaar Adenin-Thymin, Person 2 (Mitte) das Basenpaar Guanin-Cytosin und Person 3 (unten) das Basenpaar Thymin-Adenin.

Weil es viel zu aufwendig ist, das gesamte Genom zu analysieren, nutzt man den Vergleich von bestimmten Abschnitten, auf denen SNPs typischerweise vorkommen als Marker.

In der Forensik können je nach Fragestellung verschiedene Methoden zur Ermittlung herangezogen werden. Anhand von DNA-Spuren an Tatorten können Personen identifiziert oder es können Prognosen über Ihr äußeres Erscheinungsbild gegeben werden. Diese Verfahren sind Realfall aber bei weitem nicht so trivial wie sie erscheinen, denn oft sind die gefundenen Spuren in unzureichendem Maße vorhanden oder die Qualität der Probe ist mangelhaft.

Überblick über die forensischen DNA-Analyse-Methoden DNA-Profiling, DNA-Genealogie, DNA-Phänotypisierung
Überblick über die forensischen DNA-Analyse-Methoden DNA-Profiling, DNA-Genealogie, DNA-Phänotypisierung

DNA-Phänotypisierung

Die DNA- Phänotypisierung erfolgt über die Analyse von SNPs in den Genen, die für typische äußere Merkmale kodieren.

Seit 2019 ist es in Deutschland rechtlich möglich, anhand von DNA-Proben Aussagen über das äußere Erscheinungsbild einer Person zu treffen. Dabei können jedoch nur Rückschlüsse auf Pigmentierung von Haut und Haaren und auf die Augenfarbe gezogen werden. Die Testergebnisse werden als Wahrscheinlichkeitswerte ausgedrückt. Nicht für alle Merkmale gelten die gleichen Voraussagegenauigkeiten. So sind z. B. dunkle Haut oder blaue Augen mit höherer Wahrscheinlichkeit zutreffend als helle Haut oder dunkle Augen.

Eine Aussage über die biogeographische Herkunft von potenziellen TäterInnen ist in Deutschland nicht erlaubt. In speziellen Fällen macht die Justiz in Bayern jedoch Ausnahmen.

Informationen zum biologischen Alter dürfen hingegen gewonnen werden, auch wenn das nicht über die SNP-Marker analysiert werden kann. Zur Altersbestimmung nutzt man die Kenntnis, dass unsere DNA im Laufe der Zeit chemischen Veränderungen (Methylierungs-/ Demethylierungsreaktion v. a. an Cytosin in CpG-Dinukleotiden in Promoterregionen bestimmter Gene) unterliegen. Anhand dieser Veränderungen (dem Methylierungsmuster) kann in einer Altersspanne von 20–60 Jahren das biologische Alter von gesuchten Personen auf eine Genauigkeit von etwa fünf Jahren abgeschätzt werden. Bei jüngeren und älteren Menschen ist das Verfahren aufgrund von Wachstum oder vermehrtem Auftreten von Krankheiten zu störanfällig.

Keine Aussagen liefert die Phänotypisierung hinsichtlich der Körpergröße oder des Haarverlusts.

DNA-Profiling

Beim DNA-Profiling werden bis zu 20 Genabschnitte mit typischen Wiederholungseinheiten (STRs) analysiert. Dieser genetische Fingerabdruck wird dann mit Datensätzen aus einer Datenbank verglichen. Die gesuchte Person kann aber nur ermittelt werden, wenn ihre Daten aufgrund von älteren Straftaten in der Datenbank hinterlegt sind. Auch wenn es auf den ersten Blick wie Zufall erscheint, ob TäterInnen in einer Datenbank zu finden sind, so sind die Erfolge beachtlich: In etwa einem Drittel der untersuchten Fälle, waren TäterInnen bereits in der Datenbank erfasst. Das BKA verfügte 2020 über 870 000 Datensätze, das FBI über 14 Millionen!

Doch was, wenn die gesuchte Person nicht in der Datenbank zu finden ist? Und eine Phänotypisierung keine hilfreichen Daten liefert?

Forensische DNA-Genealogie

In solchen Fällen kann über Daten von biologischen Verwandten auf gesuchte Person rückgeschlossen werden. In einigen europäischen Ländern ist es bereits erlaubt, die Daten aus Ahnenforschungsdatenbanken für forensische Untersuchungen zu verwenden. Anbieter wie MyHeritage, FamiliyTreeDNA, AncestryDNA und andere verkaufen eine für deutsche Verhältnisse sehr spezielle Dienstleistung: Für etwa hundert Euro kann man auf Basis der eigenen DNA einen Stammbaum erstellen lassen, der viele Generationen zurückreicht. Wie im Film, per Wattestäbchen-Probe.

Nicht nur in den USA, wo sich mehr als 35 Millionen Menschen zur Ahnensuche per DNA-Vergleich entschlossen haben, sondern auch in Schweden und der Niederlande findet die Genealogie viele Fans. Dabei dürfte den meisten Menschen nicht klar sein, wie weitreichend sich genetische Informationen zurückverfolgen lassen. Wären die Sequenzen von nur einem Prozent der US-Amerikaner in der Datenbank, wären in Europa 90 Prozent der Verwandten dritten Grades darüber identifizierbar.

Die Suche nach der Identität von TäterInnen oder unidentifizierten Opfern wird durch die forensische Genealogie enorm erleichtert. Aber wie kommen die ErmittlerInnen von einem Datensatz zum anderen? Man muss sich die Verwandtschaftsbeziehungen wie einen Apfelbaum mit vielen großen und kleineren Ästen vorstellen. Die Suche ist wie der Weg von einem Apfel zu einem anderen im Baum.

Wenn man über die Datenbank eine Übereinstimmung zwischen der gesuchten Person und einer durch einen Datensatz bekannten gefunden hat, geht man ausgehend von der bekannten Person – dem Apfel den Baum rückwärts, von der Krone Richtung Stamm. Auf diesem Wege werden sich beide Datensätze genetisch immer ähnlicher. Irgendwann hat man so gemeinsame Vorfahren – einen gemeinsamen Ast – ermittelt und bewegt sich dann vorwärts bis zum Kreis der engsten Verwandten. Da die gesuchte Person – der zweite Apfel – selbst nicht in der Datenbank gelistet ist, liefert die Datenbank natürlich nur die nächsten Verwandten. Den Rest übernimmt die Polizei per Handarbeit. Geburtsregister, Meldeämter, Kirchenverzeichnisse und ähnliches geben Aufschluss über den engsten ermittelten Kreis um die gesuchte Person.

Wenn es um die Aufklärung von Verbrechen geht, wird es die Mehrheit der Bevölkerung wahrscheinlich durchaus in Ordnung finden, genetische Informationen zu Hilfe zu nehmen. Menschen, die endlich abschließen können mit quälenden Fragen, wenn TäterInnen gefunden oder Opfer identifiziert wurden. Familien, die Angehörige wiederfinden, die auf tragische Weise von ihnen getrennt wurden, Kinde, die ihre leiblichen Eltern kennenlernen können. Dieselben Daten jedoch in den Händen von rassistischen Fanatikern wären ein Albtraum. Auch diesen Fall gilt es zu bedenken.


Literatur:

  1. B. Brinkmann, Forensische DNA-Analytik, Dtsch. Aerztebl., 101 (34-35): 2329-2334, 2004.
  2. P. Schneider et al., The use of forensic DNA phenotyping in predicting appearance and biogeographic ancestry, Dtsch. Aerztebl. Int., 116: 873-880, 2019.
  3. M. Rauner, Schaurige Verwandtschaft, Zeit Wissen, 2/2021.
  4. https://geneticgenealogygirl.com/de/ (aufgerufen am 18.11.2022)

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