Was sind „Biokunststoffe“ und welche Möglichkeiten bieten sie (nicht)?

Oft geht mit der Vorsilbe Bio- ein beträchtliches Maß an Greenwashing einher. So auch bei den sogenannten „Biokunststoffen“. Schon die Bezeichnung wirft die Frage auf, was das „Bio“ hier eigentlich bedeuten soll und ist ‑ wenn überhaupt ‑ ein Sammelbegriff für ganz unterschiedliche Materialien.

Die Abbaubarkeit von Kunststoffen im Wasser ist denkbar schlecht. (Quelle: Pexels.com, Shivam Tyagi)

Es gibt viele Gründe herkömmliche Kunststoffe auf Erdölbasis durch andere Werkstoffe zu ersetzen: Verringerung der CO2– und Energiebilanz, Verbesserung der Abbaubarkeit und Vermeidung von Mikroplastik sind wohl die offensichtlichsten. Kann „Bioplastik“ eine Lösung sein?

Um diese Frage zu beantworten, musss man sich zunächst den Begriff „Biokunststoffe“ genauer ansehen. Darunter versteht man zum einen Kunststoffe, die aus biologischen Rohmaterialien hergestellt werden und zum anderen Kunststoffe, die biologisch abbaubar sind.

Einteilung der "Biokunststoffe" nach Ursprungsmaterialen und biologischer Abbaubarkeit.
Einteilung der „Biokunststoffe“ nach Ursprungsmaterialen und biologischer Abbaubarkeit. (Quelle: Wikimedia, ple210)

Nachwachsende Ausgangsmaterialien und biologische Abbaubarkeit

Biologischer Ursprung und biologische Abbaubarkeit gehen jedoch nicht zwangsläufig miteinander einher. Ein Kunststoff wie Kautschuk, der auf erneuerbaren Rohstoffen basiert, kann in der Herstellung durchaus weniger Energie verbrauchen, am Ende aber dennoch ein ähnliches Verwertungsproblem liefern wie erdölbasiertes Plastik. Und umgekehrt können bioabbaubare Kunststoffe auch aus fossilen Ursprungssubstanzen hergestellt werden. Allerdings muss man auch hier präzise sein und zwischen Bioabbaubarkeit und Kompostierbarkeit unterscheiden.

Das Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe an der Hochschule Hannover schreibt dazu: „Bioabbaubar heißt jedoch nicht gleichzeitig auch kompostierbar: Bioabbaubar bedeutet, dass ein Werkstoff oder Produkt sich mittels Mikroorganismen nach und nach ohne definierte Bedingungen vollständig in CO2, Wasser und Biomasse abbaut. Der dafür benötigte Zeitraum ist nicht entscheidend oder vorgegeben. Kompostierbar jedoch heißt, dass der Werkstoff oder das Produkt sich unter definierten Bedingungen innerhalb eines bestimmten Zeitraums (Wochen / Monate) vollständig in CO2, Wasser sowie Biomasse umwandeln müssen. (…) Mit Kompostierbarkeit ist damit ein schnellerer biologischer Abbau unter konstanten Bedingungen gemeint. Als kompostierbar gekennzeichnete Produkte bedürfen einer Zertifizierung.“

Neben Materialien, die entweder organischen Ursprungs sind oder ein „organisches Ende“ finden, gibt es in der Tat auch welche, die beides können. Solche Kunststoffe (PLA, PHA oder TPS) basieren z. B. auf dem natürlichen Polymer Stärke. Allerdings erschwert die hohe Wasseraffinität die Anwendungstauglichkeit für viele Zwecke. Als sogenannte Verpackungschips kommen die Stärkepolymere dennoch zum Einsatz und bieten eine gute Alternative für Styropor.

Verpackungschips auf Stärkebasis
Verpackungschips auf Stärkebasis (Quelle: Wikimedia, Christian Gahle, nova-Institut)

In Kunststoffblends können Stärkepolymere mit einer wasserabweisenden Schicht überzogen werden und so auch für andere Zwecke zum Einsatz kommen.

Die Zusammensetzung bestimmt die Eigenschaften

Für viele Anwendungen sind spezielle Eigenschaften wichtig. Härte, Elastizität, Formbarkeit, Bruchfestigkeit, UV-Beständigkeit und Eigengewicht z.B. sind zentrale Argumente bei der Eignung eines Kunststoffs für einen speziellen Zweck. Die Erfahrungen mit Biokunststoffen sind begrenzt; sie machen aktuell nur etwa 1 % des Marktanteils aus. Von den rund 370 Millionen Tonnen des global produzierten Plastiks entfallen etwa 2 Millionen Tonnen auf Biokunststoffe. Oft gelten sie als kompliziert in der Anwendung, was auch auf die mangelnde Erfahrung mit diesen Werkstoffen zurückzuführen ist. Für Anwender:innen gibt es mittlerweile eine Datenbank, die mehr als 1500 Materialien inkl. deren Eigenschaften und technischen Daten auflistet.

Materialien der Zukunft?

Als ein zentrales Vorhaben für die Kreislaufwirtschaft von Kunststoffen hat die EU-Kommission am 30.11.2022 die Schaffung eines politischen Rahmens für Biokunststoffe definiert. In Form von Richtlinien soll festgeschrieben werden, unter welchen Umständen Bioplastik sinnvoll ist und wie solche Produkte gekennzeichnet werden sollen.

Auch wenn der Anteil biobasierter und biologisch abbaubarer Werkstoffe voraussichtlich weiter ansteigen wird, ist nicht absehbar, dass sie in naher Zukunft einen wirklich relevanten Anteil des herkömmlichen Plastiks ersetzen können. Die Kritik an den sogenannten New-Economy-Bioplasics, dass sie wertvolle Anbauflächen blockieren, ist demnach nicht gerechtfertigt. Die Zahlen sprechen für sich: Selbst wenn alle Plastikmaterialien durch Biokunststoffe ersetzt würden, entspräche das nur Einbußen von 2,9 % der globalen landwirtschaftlichen Nutzfläche. Eine vergleichsweise kleine Zahl in Anbetracht der Tatsache, dass rund 70 % der Nutzfläche auf Weideland für Nutztiere anfällt.

Die Kritik am Begriff „Biokunststoff“ ist berechtigt, da er impliziert, dass alle Materialien einfach kompostierbar sind. Dies ist nicht der Fall. Eine Studie zur Abbaubarkeit von verschiedenen Kunststoffen in Meerwasser untersuchte die biologische Abbaubarkeit in der Ostsee und im Mittelmeer. Das Ergebnis zeigt eine deutliche Abhängigkeit der Abbauraten vom Milieu. So wurde beispielsweise Cellulose im Kieler Ostseewasser binnen 20 Tagen zu 90 % abgebaut. Im Mittelmeerwasser bei Elba waren nach der gleichen Zeit noch knapp 50 % des Materials erhalten. Bioabbaubarkeit ist also auch kein Begriff, der pauschal verwendet werden sollte.

Und selbst wenn es so wäre, dass sich Biokunststoffe ganz einfach zersetzen ließen, müsste die Energie- und Ökobilanz der Rohstoffe sowie des Herstellungsprozesses mit in Betracht gezogen werden.

Biokunststoffe sind zukunftsfähige Materialien und die Forschung dazu ist wichtig, weil unsere Erdölvorräte endlich sind. Trotzdem ist der Weg zur „guten Ökobilanz“ noch weit. Aktuell sind Kompostieranlagen noch nicht auf biologisch abbaubares Plastik ausgelegt. Es fehlt noch an Wiederaufbereitungsmöglichkeiten für Biokunststoffe und die Produktion aus Abfallprodukten, beispielsweise aus Abwässern der Milchproduktion oder der Ölgewinnung, steckt noch in den Kinderschuhen. Heute sind Biokunststoffe deshalb noch keine gewichtige Alternative, aber sie bieten vielversprechende Möglichkeiten. Doch egal ob herkömmliches Plastik oder ressourcenschonende Alternativen: Biokunstoff darf kein Wegwerf-Alibi sein. Der Traum von Rohstoffen und Energie im Überfluss ist ausgeträumt und ein gedankenloser Umgang mit Gebrauchsmaterialien ist nicht mehr zeitgemäß.   


Literatur:

https://dakebiku.ifbb-hannover.de/lca/basics

IfBB-Webinarreihe: https://www.ifbb-hannover.de/de/webinare.html

https://www.umweltbundesamt.de/biobasierte-biologisch-abbaubare-kunststoffe#haufig-gestellte-fragen-faq

https://www.umweltbundesamt.de/service/uba-fragen/verrottet-plastik-gar-nicht-nur-sehr-langsam

https://www.kunststoffe.de/a/fachartikel/klimawandel-staerkt-nachfrage-311500

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