Als Gen-Taxis werden funktionale Polymere bezeichnet, die Wirkstoffe umhüllen und zielsicher zu bestimmten Zellen transportieren. Die Herausforderungen im Design solcher Transportmoleküle liegt nicht nur im eigentlichen Transport, sondern auch in Aufnahme ins Zellinnere und der Freisetzung des Wirkstoffs.
Gegen Infektionen und Entzündungsprozesse existieren bereits eine Reihe von guten Wirkstoffen. Diese wirken allerdings systemisch auf den ganzen Körper. Es werden deshalb relativ hohe Dosen verabreicht, um auch am Infektionsort eine Wirkung zu erzielen. Das ist mit manchmal mit unerwünschten Nebenwirkungen verbunden. Um Wirkstoffe gezielt an den Infektionsort zu bringen, verfolgt der Ansatz der Gen-Taxis eine clevere Strategie.
Es ist kein revolutionärer mensch-gemachter Ansatz, sondern eine Kopie dessen, was in der Natur seit jeher und ständig passiert. Hier sind es Viren, die ihren „Wirkstoff“, ihre eigene Erbsubstanz, in unsere Zellen einschleusen. Trotzdem ist die Entwicklung von ähnlichen Transportmolekülen kein Kinderspiel.
Im Falle der Gen-Taxis sind die Taxis an sich Polymere wie z. B. die jüngst bekannt gewordenen Lipid Nanopartikel (LNPs). Dr. Anja Träger vom Jena Center for Soft Matter entwickelt solche polymeren Nanotransporter. Neben genetischem Material wie DNA oder RNA können aber auch Proteine oder kleinere Wirkstoffmoleküle als Fahrgäste in den Taxis fungieren.
Die Polymere haben einen Durchmesser von etwa 100 nm und sind damit 500-mal dünner als ein menschliches Haar. Die Ansprüche an die Transportmoleküle sind hoch: Sie müssen ihren Inhalt stabil und zuverlässig verpacken, der Transport muss direkt und ohne Umwege von statten gehen und es muss möglich sein, bestimmte Zelltypen zu adressieren. Von einer Wirkung auf das Immunsystem sollen z. B. Muskelzellen unbehelligt bleiben. Die Transportmoleküle müssen auf dem Weg zu ihren Zielzellen vom Immunsystem unbemerkt bleiben, dürfen nicht mit Blutproteinen wechselwirken, enzymatisch abgebaut werden und sollen eine gute Wasserlöslichkeit zeigen. Zudem müssen sie so beschaffen sein, dass ihr Inhalt am Zielort einfach und vollständig ausgepackt werden kann. Dann hätten sie ihre Funktion erfüllt und könnten abgebaut werden. Dabei ist wichtig, dass sie sich zu gesundheitlich unbedenklichen Einzelteilen zersetzen lassen.
Um selektiv und spezifisch am Zielort einzugreifen, kann z. B. der Stoffwechsel von Zellen ausgenutzt werden. Die Nanotransporter werden dann gezielt mit einem Nährstoff ausgestattet, der für bestimmte Zelltypen spezifisch ist. Diese und andere Strategien gewährleisten, dass die Wirkstoffe direkt da ankommen, wo sie gebraucht werden und sind quasi das Navigationssystem der Gen-Taxis.
Die Bindung des Wirkstoffs an das Polymer findet im Falle von Nukleinsäuren über die ionische Wechselwirkung der negativ geladenen Phosphatreste an die positiv geladenen Polymermoleküle statt.
Der Transport ins Zellinnere findet über Endosomen statt. Das sind membrangebundene Zellorganellen, die in einem ersten Schritt mit der Oberfläche der Transportpolymere wechselwirken. In einem zweiten Schritt wird die Membran an dieser Stelle eingestülpt und in einem dritten Schritt abgeschnürt. Das mit Wirkstoff beladene Polymer befindet sich nun in einem Vesikel im Zellinneren.
Schematische Darstellung der Aufnahme von Substanzen durch Endozytose (Quelle: Wikipedia)
Doch damit ist die Reise des Wirkstoffs durch den Körper noch nicht ganz beendet, es muss noch aus dem Transportmolekül ausgepackt werden. An den Mechanismen der Freisetzung (endosomal escape) und der Beeinflussung dahin, dass Wirkstoffe schnell und effizient in der Zelle verfügbar sind, forscht auch die Arbeitsgruppe von Anja Jäger. Dafür werden unterschiedliche Polymer-Systeme getestet, die über hydrophobe Interaktionen, pH-Wert abhängige Mizellen oder auch pH-unabhängige Polymere, die auf Aminen basieren, funktionieren. Ob und wann ein Wirkstoff in den Zellen freigesetzt wird, wird über einen Farbstoff im Inneren des Transportmoleküls elektronenmikroskopisch verfolgt.
Die Weiterentwicklung der Gen-Taxis ist also bei weitem nicht abgeschlossen und auch wenn das System um das PEG-Polymer gut etabliert ist, wird es in Zukunft Alternativen geben.
Literatur:
H. Shete et al., Endosomal escape: a bottleneck in intracellular delivery, J. Nanosci. Nanotechnol., 14 (1): 460-474, 2014.
F. Richter et al., Tuning of Endosomal Escape and Gene Expression by Functional Groups, Molecular Weight and Transfection Medium: A Relationship Study, J. Mater. Chem. B, 8: 5026-5041, 2020.
T. Bus et al., The Great Escape: How Cationic Polyplexes Overcome the Endosomal Barrier, J. Mater. Chem. B, 6: 6904-6918, 2018.
Jeden Freitag werden hier fünf Fun Facts aus unterschiedlichen naturwissenschaftlichen Bereichen vorgestellt.
1995 wurde die Beschreibung eines Gens mit dem Namen Pokemonpubliziert. Da es im Zusammenhang mit Tumorwachstum steht und Nintendo wegen eines befürchteten Imageschadens Beschwerde eingereicht hat, musste das Gen umbenannt werden.
Aufgrund der temperaturabhängigen Längenausdehnung ist der Eiffelturm im Sommer um bis zu 18 cm höher als im Winter.
Die stinkende Komponente in Knoblauch, das Dipropenyl-disulfid kommt nur in rohem, nicht aber in gekochtem Knoblauch vor.
Das Annehmen und Tragen von Nobelpreismedaillen war unter dem Nazi-Regime verboten, nachdem Carl von Ossietzky 1935 den Friedensnobelpreis erhalten hatte.
Häufige Vulkanausbrüche können das Klima beeinflussen. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war es global deshalb um etwa 0,2 °C kühler.
Kaffee ist seit Jahrhunderten unser alltäglicher Muntermacher Nummer 1. Das enthaltene Koffein bringt uns morgens auf die Beine, regt die Verdauung an und vermag auch unsere Denkleistung zu boostern. Doch nicht nur Kaffee und Cola, sondern Tee und Schokolade enthalten den pflanzlichen Wachmacher.
Geröstete Kaffebohnen (Quelle: Kai Reschke, pixabay)
Kaffee wird in den Anbaugebieten Südamerikas, Afrikas und Südostasiens hauptsächlich zum Export angebaut. Um 1600 kam die Kaffeebohne über die Türkei zu uns nach Europa und gewann schnell an Beliebtheit. 2022 gehört die morgendliche Tasse Kaffee für knapp zwei Drittel der Deutschen zu einem guten Start in den Tag. Deutschland liegt im internationalen Vergleich allerdings bloß an 12. Stelle, den weltweit höchsten Kaffeekonsum betreiben die Einwohner von Luxemburg und Finnland.
Nicht nur Kaffee enthält Koffein
Koffein ist jedoch nicht nur in Kaffee und Cola enthalten, auch schwarzer und grüner Tee, viele Energy-Drinks und Schokolade sind koffeinhaltig.
Lebensmittel
Bemessungseinheit [ml] oder [g]
Koffeingehalt [mg]
Filterkaffee
200
90
Energy-Drink
250
80
Espresso
60
80
Schwarztee
200
45
Grüntee
200
30
Kakao
200
8-35
Cola
330
35
Zartbitter-Schokolade
50
25
Vollmilch-Schokolade
50
10
Koffein kommt bekanntermaßen in den Samen der Kaffeepflanze und den Blättern der Teepflanze vor. Bei Tee wird oft von Teein gesprochen, das milder wirken soll als das Koffein in Kaffee. Das stimmt nicht, chemisch sind beide Substanzen identisch, lediglich die Konzentration des Wirkstoffs in den Getränken ist unterschiedlich.
Strukturformel von Koffein
Neben der Kaffee- und Teepflanze sind noch etwa 60 weitere Pflanzen bekannt, die Koffein enthalten. Dazu gehören auch der Matestrauch und der Kakaobaum. Vermutlich nutzen die Pflanzen das Koffein zum Schutz vor Fressfeinden, denn es schmeckt bitter.
Wundermittel oder Genuss mit Reue?
1820 konnte Friedlieb Ferdinand Runge den farb- und geruchlosen Feststoff erstmals isolieren. 1897 gelang dann die Strukturaufklärung. Schon früh wurde Koffein auch in der Medizin genutzt: Kaffee wurde bei Kopfschmerzen, bei Kreislaufschwäche, bei Antriebslosigkeit und später auch bei Bronchialasthma verabreicht. Es kursieren seither aber auch immer wieder hartnäckige Gerüchte über die Schädlichkeit von Kaffee. So sollen durch den Konsum Herzinfarkte begünstigt, Schlaganfälle, Thrombosen und Bauchspeicheldrüsenkrebs ausgelöst werden. Es kam auch immer wieder die Frage auf, ob Kaffee unfruchtbar oder impotent macht oder mutagen wirkt. Alle Verdächtigungen sind mittlerweile widerlegt.
In manchen Fällen, wie z. B. bei der männlichen Unfruchtbarkeit konnte zwar gezeigt werden, dass hoher Konsum von Cola die Beweglichkeit der Spermien stört, jedoch war dies auch bei den Männern der Fall, die koffeinfreie Cola zu sich genommen hatten und wurde schließlich auf den hohen Zuckergehalt der Getränke zurückgeführt. Die Entstehung von Bauchspeicheldrüsenkrebs konnte nach großem Furore in den 80er Jahren darauf zurückgeführt werden, dass die Bohnen mit einem Lösungsmittel behandelt worden waren, das sich als cancerogen erwies.
In anderen Fällen waren die relevanten Koffein-Konzentrationen so hoch, dass sie nur schwer durch Kaffeekonsum erreicht werden kann. Dies gilt leider ebenfalls für die bronchienerweiternde Wirkung von Koffein bei Asthma. Hier liegt die Einmalgabe bei 250 mg (entspricht 3 Tassen Kaffee).
Laut EFSA (European Food Safety Authority) sind Einzeldosen von 200 mg für Erwachsene unbedenklich. Ein Tageswert von 400 mg (für Schwangere und stillende Mütter 200 mg) sollte nicht überschritten werden, obgleich die letale Dosis bei oraler Aufnahme bei 5000 mg (entspricht rund 55 Tassen Kaffee) liegt.
Koffein-Metabolismus
Die Wirkung von Koffein ist hinreichend bekannt: etwa 30-60 Minuten nach oraler Aufnahme steigen Puls und Blutdruck, man fühlt sich wacher und ist konzentrierter. Die Wirkung hält etwa 5 Stunden an, ist aber stark gewohnheitsabhängig. Bis das aufgenommene Koffein abgebaut ist, vergehen jedoch gerne mal 12 Stunden und mehr. Der Stoffwechsel findet in der Leber statt, wobei Koffein zuerst zu Theophyllin (1,3-Dimethylxanthin) und Paraxanthin (1,7-Dimethylxanthin) und schließlich zu Xanthin abgebaut wird, das dann letztendlich über den Urin ausgeschieden wird. Bemerkenswert ist, dass Theophyllin und Paraxanthin stärkere Wachmacher sind als Koffein selbst. Bei RaucherInnen findet der Abbau induziert durch Nicotin schneller statt, die Wirkung von Koffein lässt dann schon nach drei Stunden nach.
In Schokolade ist neben wenig Koffein recht viel Theobromin (3,7-Dimethylxanthin) enthalten. Die Wirkung dieses Alkaloids ist zwar ähnlich der des Koffeins, jedoch viel schwächer.
Die Methylxanthine Koffein, Theophyllin, Paraxanthin und Theobromin hemmen den A2A-Rezeptor für Adenosin. Diese Adenosinrezeptoren kommen in allen Teilen des Körpers vor, was die Wirkung vielfältig macht: Im Gehirn bewirkt der Adenosinantagonist eine erhöhte Ausschüttung von Neurotransmittern wie Dopamin und Serotonin. In Niere und Darm eine erhöhte Urinproduktion und vermehrte Darmbewegung. Obwohl diese Wirkung nicht beliebig gesteigert werden kann, sind Überdosierungserscheinungen wie Übelkeit, Schwitzen, Schwindel und Zittern bekannt. Diese negativen Wirkungen sind aber nicht dauerhaft schädlich und können auch von zu viel Schwarz- oder Grüntee hervorgerufen werden.
Was den Koffeingehalt betrifft, liegt Tee zwar weit hinter Kaffee, aber meist wird auch mehr als eine Tasse getrunken. Schwarz- und Grüntee werden von der Teepflanze Camellia sinensis gewonnen und unterscheiden sich durch die Verarbeitung der Blätter. Während Grüntee nur getrocknet wird, wird Schwarztee zusätzlich fermentiert. Teeblätter enthalten neben Koffein auch die Flavonoide Epacatechingallat, Epigallocatechingallat, die als Radikalfänger wirken. Daneben ist auch Salicylcat, das Anion der Salicylsäure enthalten, was antiinflammatorisch wirkt. Dass Tee durch längeres Ziehen beruhigend wirken soll, ist ein Missverständnis: Durch langes Ziehen werden mehr Gerbstoffe frei, die beruhigend auf die Verdauung wirken. Der Koffeingehalt steigt bei langem Ziehen aber auch mit an. Ein Schlummertrunk ist starker Schwarztee also nicht. Die Verwendung der Teepflanze in China datiert bereits auf 2500 v. Chr. Nach Europa kam Tee erst im um 1700. Eine wirkliche Tradition hat das Teetrinken aber nur in Großbritannien, Irland und in Teilen von Norddeutschland erlangt.
Aus der aktuellen medizinischen Forschung gibt es immer wieder Beispiele, die die Anwendungsbreite von Koffein zeigen: kürzlich konnte gezeigt werden, dass Koffein einen positiven Einfluss auf die Entwicklung des Parkinson-Syndroms hat. Weiter wirkt sich Koffein negativ auf inflammatorische Prozesse in Schwangeren aus, die zu Früh- und Fehlgeburten führen können.
Fazit: Moderater Kaffee- und Teekonsum sind unbedenklich und hat sogar die ein oder andere positive Wirkung. Bei Überdosierung drohen keine Langzeitschäden, aber unangenehm könnte es schon werden. Auch einen Koffeinentzug kann man bedenkenlos wagen. Meist bleibt es bei ein bis zwei Tagen Kopfschmerzen und Müdigkeit.
Literatur:
W. Beiglböck, Koffein: Genussmittel oder Suchtmittel, Springer 2016.
S. Braun: Der alltägliche Kick von Alkohol und Koffein, Birkhäuser 1998.
J. Emsley, Liebe, Licht und Lippenstift, Wiley-VCH 2007.
Jeden Freitag werden hier fünf Fun Facts aus unterschiedlichen naturwissenschaftlichen Bereichen vorgestellt.
Pro Sekunde entstehen weltweit knapp 50 Blitze.
Der genetische Vergleich des SARS-Coronavirus-2 mit dem einem Grippevirus hinkt, wenn man bedenkt, dass auch menschliche DNA zu gut 98 % identisch ist mit Schimpansen-DNA.
Gase kühlen sich beim Abkühlen ab. Als Joule-Thomson-Effekt bekannt, kann man das am Ventil einer Gasflasche erkennen, oder wenn man Luft aus einiger Entfernung gegen die eigene Hand pustet.
Seit Pretty Woman wissen wir, dass unser Unterarm der Länge unseres Fußes entspricht. Seit heute weißt du auch noch, dass dein Daumen die gleiche Länge hat, wie deine Nase.
Knapp die Hälfte aller OstasiatInnen vertragen Alkohol nur schlecht. Das liegt nicht an ihren spärlichen Trinkgewohnheiten, sondern an einem Gendefekt, der sich in der Produktion der Enzyme ADH (Alkoholdehydrogenase) und/oder ALDH2 (Acetaldehyddehydrogenase 2) bemerkbar macht.
Jeden Freitag werden hier fünf Fun Facts aus unterschiedlichen naturwissenschaftlichen Bereichen vorgestellt.
Seit 1977 lagen in allen Jahren die Durchschnittstemperaturen über dem globalen Jahresdurchschnitt der Vorjahre.
Schon die Masse eines Salzkorns an Nowitschok ist tödlich.
Wer im Spätsommer oder Herbst lila Krokusse blühen sieht, lässt lieber die Finger davon, denn es handelt sich dabei eher um die Herbstzeitlose, die tödlich giftiges Colchicin enthält.
Benachbarte Elemente sind in der Röntgenstrukturanalyse nicht unterscheidbar.
Mikrowellenstrahlung versetzt Wassermoleküle in Schwingung und erwärmt sie somit. Wasserfreie Stoffe bleiben davon unbeeindruckt.
Etwa hundert Jahre nach der Entdeckung des Penicillins ist die Wirksamkeit von vielen Antibiotika zumindest fragwürdig. Neue Wirkmechanismen und grundlegende Veränderungen in der Methodik, neue Medikamente zu finden, sind vielversprechend, aber auch schneller als die Entwicklung von Resistenzen?
Staphylococcus aureus, ein multiresistenter Keim (Quelle: Shutterstock)
Unsere Antibiotika basieren auf Naturstoffen. Schon der erste Vertreter, das Penicillin (A. Fleming 1928) wurde aus dem Schimmelpilz Penicillium Chrysogenum gewonnen. Die heutigen Wirkstoffe werden von Mikroorganismen oder rein synthetisch hergestellt. Ihrer Wirkung liegen zwar unterschiedliche Mechanismen zu Grunde, doch eines haben sie alle gemein: sie töten die Erreger (meist Bakterien) ab. Was auf den ersten Blick Sinn der Sache ist, hat den unangenehmen Nebeneffekt, dass dadurch ein hoher Selektionsdruck erzeugt wird: Wer sich der Wirkung des Antibiotikums entziehen kann, überlebt. Und vererbt die neu gewonnene Eigenschaft.
Schon wenige Jahrzehnte nach der ersten Anwendung von Penicillin wurde über Resistenzen berichtet. Die WHO berichtete 2021 im Fact Sheet Antimicrobial Resistance über Resistenzquoten von bis zu 92.9 % für Escherichia coli und bis zu 74.4 % für Klebsiella pneumoniae. Die Quoten variieren stark von Land zu Land je nach Alltäglichkeit des Gebrauchs von Antibiotika.
Doch nicht nur der manchmal ungerechtfertigte Gebrauch der Medikamente im humanen Gesundheitswesen und in der Agrarwirtschaft sind für das Problem der Resistenzen verantwortlich. Die spärliche Entwicklung neuer Wirkstoffe seit den 60-er Jahren hat den Bakterien einen mächtigen Zeitvorsprung verschafft.
Wirkmechanismen bekannter Antibiotika und Ausbildung von Resistenzen
Antibiotika wirken entweder über die Hemmung der Zellwandsynthese der Bakterien oder über die Störung der Proteinbiosynthese am bakteriellen Ribosom. Dies kann z. B. über die Inhibition der an diesem Prozess beteiligten Enzyme wie z. B. der DNA- Polymerase geschehen, oder über die Erzeugung von DNA- Schäden im bakteriellen Genom.
Natürlicherweise kommt es aber immer wieder dazu, dass Bakterien Wege finden, diesen Wirkungen auszuweichen. So kann ein gehemmtes Enzym überexprimiert werden, oder ein anderes Protein übernimmt eine ähnliche Funktion eines durch Antibiose geschädigten. Es kommt sogar vor, dass Wirkstoffe, die erfolgreich in Bakterienzellen eingedrungen sind, durch spezielle Transportmechanismen wieder ausgeschleust werden. In einigen Fällen, bei den β-Lactam-Antibiotika, kommt die Resistenz dadurch zustande, dass die Bakterien selbst den Wirkstoff inaktivieren. Hier ist das durch Hydrolyse des Lactam-Rings der Fall.
Grundstruktur des Wirkstoffe Penicillin (rechts) und Cephalosphin (links).
Bakterien in der Lage, durch Genaustausch (z. B. über Transduktion oder Konjugation) diese neue Information mit anderen Bakterien auszutauschen. „Resistenzgene“ können also übermittelt werden.
Auf der Suche nach neuen Wirkstoffen
Die Grundlage dafür, aktiv gegen Resistenzen vorzugehen, ist natürlich die Kenntnis darüber, wie Wirkstoffe wirken und wie Resistenzen ausgebildet werden. Diese Arbeit ist bereits getan. Bei der Suche nach neuen Wirkstoffen wird heute eine computergestützte Empirik betrieben. Parameter wie Wasserlöslichkeit, Bindungsaffinität, Toxizität und Zellpermeabilität auf Basis von bekannten Wirkstoffen werden in Datenbanken mit gigantischer Menge an Naturstoffen eingefüttert, die dann potenzielle Wirkstoffe präsentiert, die ähnliche Eigenschaften haben wie bekannte Antibiotika. Auch Genome Mining ist so ein Substanz-Screening-Verfahren. Wie bei allen Lebewesen ist der Großteil des Genoms inaktiv. Beim Genome Mining wird gezielt nach Genen gesucht, die für eine jeweilige Anwendung (Antibiotika, Cytostatika) interessante Proteine codieren.
Auch neue Wirkmechanismen werden diskutiert. Der Wirkstoff Platensimycin ist der erste Vertreter einer neuartigen Strukturklasse, die über die Störung der Fettsäuresynthese den Aufbau der Bakterien-Zellwand stören.
Auch zur Störung der Zellteilung gibt es neue Ansätze wie die antibiotisch wirksamen Acyldepsipeptide (ADEPs). Das 2015 vorgestellte Teixobactin hemmt die Zellwandsynthese gleich mehrfach.
Klug ist die Anwendung von Substanzen, die über mehr als einen Mechanismus wirken. Sog. Definsine wie z. B. Plectasin stört die Zellwandsynthese und stimuliert gleichzeitig das Immunsystem.
Durch die Ausweitung der Suche nach neuen antibiotischen Stoffen beschränken sich ForscherInnen seit einiger Zeit nicht mehr auf die ursprünglich untersuchten Bodenbakterien, sondern werden auch in ganz anderen Systemen fündig: In 300 m Meerestiefe, auf der Oberfläche von Borkenkäfern oder in See-Schwämmen.
Abschwächen der Virulenz
Ein neuer Ansatz, der das Problem bei der Wurzel packt, ist das Abschwächen der Virulenz im Gegensatz zum Ziel, das Bakterium zu töten und damit Selektionsdruck zu erzeugen. Solche Medikamente wären jedoch sehr selektiv und man bräuchte schnell Gewissheit darüber, um welchen Krankheitserreger es sich handelt, wenn man ihn behandeln will.
Literatur:
F. Harrison et al.: A 1,000-Year-Old Antimicrobial Remedy with Antistaphylococcal Activity, mBio. Band 6, 2015.
P. H. Mygind et al.: Plectasin is a peptide antibiotic with therapeutic potential from a saprophytic fungu, Nature. 437 (7061): 975-980, 2005.
P. Sass et al.: Antibiotic acyldepsipeptides activate ClpP peptidase to degrade the cell division protein FtsZ, Proceedings of the National Academy of Sciences,108 (42): 17474-17479, 2011.
C. Fischbach et al: New Antibiotics from Bacterial Natural Products, Nature Biotechnology 24(12): 1541-1550, 2006.
C. Nathan: Antibiotics at the Crossroads, Nature 431: 899-902, 2004.
J. Wang et al, Platensimycin is a selective FabF inhibitor with potent antibiotic properties, Natutre, 441: 358–361, 2006.
R. Shukla et al: Teixobactin kills bacteria by a two-pronged attack on the cell envelope, Nature, 608 (7922): 390-396, 2022.
Quecksilber ist zweifellos eines der bekanntesten Elemente des Periodensystems. Lange geliebt, oft bewundert, gebraucht und missbraucht, und heute schließlich verpönt, blickt das „flüssige Silber“ auf eine lange und enge Bindung zur Menschheit zurück.
Elementares Quecksilber (Quelle: Fotolia.com)
Schon in seinem Namen offenbart das Element Quecksilber seinen sonderbaren Charakter: Das chemische Symbol Hg steht für Hydragyrum (griechisch: Wassersilber) und wurde auch als Argentum vivum, als lebendiges Silber bezeichnet. Im Englischen wird es neben Mercury auch Quicksilver – schnelles Silber – genannt.
Ungewöhnliche Eigenschaften
Wer schon einmal gesehen hat, wie kleine Kügelchen des glänzenden Metalls auf glatten Oberflächen fließen, der wird den Namen flüssiges Silber nur allzu treffend finden. Quecksilber ist das einzige Metall, das bei Raumtemperatur in flüssigem Zustand vorliegt. Es bildet in elementarer Form silbern glänzende Kugeln, die beim Aneinanderstoßen miteinander verschmelzen. Der bei Raumtemperatur flüssige Zustand ist tatsächlich ein absolutes Alleinstellungsmerkmal. Metalle, insbesondere glänzende Edelmetalle, sind gewöhnlich erst bei mehreren Hundert, oft sogar erst über 1000 °C flüssig.
Der Aggregatzustand ist jedoch nicht die einzige Absonderlichkeit, die Quecksilber zu bieten hat. Aufgrund der hohen Oberflächenspannung fließt es über glatte Flächen, ohne diese zu benetzen. Eine Flüssigkeit, die keine Flecken hinterlässt. Auch die hohe Dichte der Flüssigkeit überrascht: ein Liter Quecksilber wiegt fast 15 kg! Heute werden ungewöhnliche physikalische Eigenschaften jedoch nicht mehr mystifiziert, sondern nüchtern erklärt. Was das Interesse an ungewöhnlichen Elementen jedoch nicht schmälert. Mit der Ordnungszahl 80 gehört Hg zu den schweren Elementen, auf die sich relativistische Effekte besonders stark auswirken. Aufgrund der Lanthanoiden-Kontraktion ist die hohe Kernladung weniger effektiv abgeschirmt als bei den leichteren Homologen der Gruppe 12. Besetzte Orbitale, wie auch das Valenzband liegen deshalb im Vergleich zu Zn und Cd näher am Kern, was das Fermi-Niveau absenkt und die Bandlücke vergrößert. Daraus resultieren eine schwache Metall-Metall-Bindung, schlechte elektrische Leitfähigkeit und eine vergleichsweise hohe Flüchtigkeit. Rechnerische Analysen zeigen, dass die Auswirkung relativistischer Effekte den Schmelzpunkt von Hg um etwa 100 Kelvin erniedrigen.
1911 entdeckte der niederländische Forscher Heike Kamerlingh Onnes eine andere wirklich großartige Eigenschaft des Quecksilbers. Das Metall, das bei Raumtemperatur den elektrischen Strom eher schlecht leitet, wird beim starken Abkühlen mit flüssigem Helium auf -269 °C zum perfekten Leiter. Mit der Entdeckung der Supraleitfähigkeit tat sich ein Forschungsfeld auf, das auch heute noch viele WissenschaftlerInnen umtreibt.
Früh gekannt, in Fülle genutzt… Schon in der Antike kannte und nutze man gelbe und rote quecksilberhaltige Pigmente (HgO und HgS). Sehr hohe Quecksilber-Konzentrationen wurden in Mayastätten wie Tikal gefunden. Es ist erwiesen, dass das Quecksilber aus dem roten Zinnober (HgS) ins Trinkwasser freigesetzt wurde.
Qin Shi Huang, der erste Kaiser Chinas, 259-210 v. Chr. (Quelle: J. Clements, The First Emperor of China, Sutton Publishing, Cheltenham 2006.)
Der Legende nach soll es im Grabmal des ersten chinesischen Kaisers Flüsse aus Quecksilber gegeben haben, die die Weltmeere symbolisieren sollten. Ob die Legende stimmt, oder ob sich die Überlieferungen damit vermischen, dass der größenwahnsinnige Kaiser den Tod mit quecksilberhaltigen Zaubertränken überwinden wollte, ist unklar. Fakt ist jedoch, dass er das „Elexier der Unsterblichkeit“ kaum überleben hätte können. Denn: nahezu alle Quecksilberverbindungen sind hoch toxisch. Um das Jahr 1000 gab es in den Palästen der Kalifen in mehreren arabischen Städten mit Quecksilber gefüllte Becken oder Springbrunnen, die für das Spiel mit Lichtwirkungen genutzt wurden, auch über Quecksilber-Bäder wird berichtet.
Hg in der Medizin- ein Teufelszeug der Alchemisten?
Ab dem Mittelalter hielt man es jahrhundertelang für gute medizinische Praxis, allerlei Krankheiten mit Quecksilber oder Quecksilberverbindungen zu behandeln. Paracelsus wandte HgCl2-Lösungen als Abführmittel an und behandelte Syphilis mit quecksilberhaltigen Salben. In seinen Lehren wird dem Quecksilber eine zentrale Rolle zugeschrieben, denn zusammen mit Schwefel und Salz als sog. nicht-stoffliche Elemente baut es den menschlichen Körper auf. Schwefel symbolisiert das Brennbare, die Seele, das Quecksilber die Flüchtigkeit, der Lebens-Geist und das Salz das Beständige, den Körper selbst. Durch Ungleichgewichte zwischen den Dreien entstehen nach alchemistischer Auffassung Krankheiten, die durch Gabe des fehlenden Stoffes ausgeglichen wurden.
Paracelsus, 1493-1541 (Quelle: Pharmaziemuseum der Universität Basel)
Wer denkt, dass Quecksilber nur Alchemisten, Mittelalter-Quacksalbern und Badern vorbehalten war, der fehlt. Auch in der modernen Medizin hat Quecksilber eine Verwendung, wenngleich die Anwendung und vor Allem auch die Dosierung mittlerweile stark reduziert sind. Bis 2003 wurde das Antiseptikum Mercurochrome vermarktet, das wie der Name schon sagt, Quecksilber enthielt. Auch Zahnfüllungen aus Amalgam waren bis vor einigen Jahren Standard. Amalgame sind Legierungen des Quecksilbers, bei Zahnfüllungen beträgt der Hg-Gehalt stolze 60 %. Wie genau sich die intermetallischen Verbindungen im Laufe der Zeit verändern ist nicht genau bekannt. Geklärt ist hingegen, dass es sich beim Hauptbestandteil der Dentalfüllungen um die Phase Ag2Hg3 handelt. Auf Beschluss der EU-Kommission wird die Verwendung von zahnärztlichem Amalgam seit Juli 2018 jedoch minimiert, bis 2030 soll über ein evtl. Verbot entschieden werden. Aktuell stecken in den Mündern von EU-Bürgern aber noch 1.300 bis 2.200 Tonnen des giftigen Metalls und ein durchschnittlicher Erwachsenenkörper enthält, ohne Zahnfüllungen, etwa 6 g Hg.
Obwohl in den westlichen Ländern ein erhöhtes Bewusstsein für die Giftigkeit des Quecksilbers existiert, herrscht weitgehend Stillschweigen über die Emissionsquellen. 20 % des weltweit durch menschliche Aktivitäten emittierten Quecksilbers fallen allein als Abfallprodukt bei der Verbrennung von Kohle zur Stromerzeugung an. In Deutschland sind das jährlich etwa 7 Tonnen Quecksilber! Auch durch Müllverbrennung und Vulkanausbrüche wird das Metall freigesetzt. Global gelangen jährlich bis zu 30 Tonnen Hg in die Atmosphäre, werden irgendwann abgeregnet und reichern sich in Gewässern an. Über Algen und Fische landet das Metall schließlich dann auf unseren Tellern. Einige Fische, wie z. B. Thunfisch, Hecht oder Hai enthalten besonders viel Quecksilber. Diese hohen Konzentrationen schädigen die Tiere selbst wohl deshalb nicht, weil sie ebenso hohe Konzentrationen von Selen enthalten. Selen hat eine hohe Hg-Affinität und wirkt somit als Quecksilber-Antagonist.
Macht wirklich nur die Dosis das Gift?
Die Toxizität von Quecksilber sollte nicht pauschalisiert werden. Es kommt nämlich nicht nur auf die Dosis, sondern auch darauf an, wie und in welcher Form das Schwermetall aufgenommen wird.
„Little Willie from his mirror Licked the mercury right off, Thinking in his childish error, It would cure the whooping cough. At the funeral his mother Brightly said to Mrs. Brown: `Twas a chilly day for Willie When the mercury went down.´”
(Harry Graham, Ruthless Rhymes for Heartless Homes, 1899)
Quecksilber kommt in Dentalfüllungen vor, in elektrischen Schalter, in Leuchtstoffröhren, in Xenon-Scheinwerfern, in Energiesparlampen, bei der Chlor-Alkali-Elektrolyse und beim Gold-Abbau z. B. in Peru oder auf den Philippinen.
Elementares Quecksilber ist ungeladen und oberhalb von -39 °C flüssig. Wie alle Flüssigkeiten kann auch das Metall langsam verdampfen und wird so über die Atemwege aufgenommen. Viel gefährlicher sind allerdings die Quecksilber-Dämpfe, die bei Erhitzen des Metalls entstehen. Seit 2011 gilt ein MAK-Wert (Maximale Arbeitsplatz-Konzentration) von 0,02 mg Hg/m³ Luft, die Resoptionsrate liegt bei 80 %.
Quecksilber passiert die Blut-Hirn-Schranke und ruft bei hohem Dosen Schädigungen des zentralen Nervensystems hervor. Akute Vergiftungserscheinungen sind Atemnot, Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen, Zittern, Orientierungslosigkeit und Krämpfe. Bei chronischer Exposition manifestieren sich die neurokognitiven Störungen, Schädigungen vor allem des Gehirns können irreversibel sein.
Als anorganisches Quecksilber wird meist das zweiwertige Kation bezeichnet, obwohl Quecksilber auch in der Oxidationsstufe +I auftreten kann. Aufgrund der Elektronenkonfiguration 5d106s2 ist vor allem die Oxidationsstufe +II stabil. Einwertiges Hg wird durch die Ausbildung von Hg-Hg-Bindungen stabilisiert. In Salzen kommen typischerweise [Hg-Hg]2+-Hanteln vor.
Quecksilbervergiftungen kommen heutzutage fast immer über Kontakt mit gelösten Quecksilbersalzen oder Quecksilberverbindungen vor. Oral oder über die Haut aufgenommen, akkumuliert das Metall in Niere und Leber, verursacht nach Verschlucken Darmschädigungen und ruft die gleichen Vergiftungserscheinungen hervor, wie elementares Quecksilber. Allerdings beträgt die Resorption bei oraler Aufnahme nur etwa 10 %, die letale Dosis liegt bei etwa 1 Gramm. Nochmals höhere Werte gelten für die subkutane Aufnahme.
Bereits im 18. Jahrhundert kannte man das Krankheitsbild des Erethismus mercurialis, des Hutmachersyndroms. Hutmacher waren berufsbedingt täglich hohen Hg-Konzentrationen ausgesetzt, weil Felle und Filze mit Quecksilbersalzlösungen behandelt wurden. Auch der verrückte Hutmacher aus Alice im Wunderland (Lewis Carrol 1865) wird als leicht reizbare Person mit ständig wechselnden Stimmungslagen beschrieben. Bis in die 90-er Jahre waren HgCl-haltige Vaginalzäpfchen auf dem Markt, die der Empfängnisverhütung dienten. Die Wirkung als Spermizid beruht auf der Hohen Bindungsaffinität des Quecksilbers zu Schwefel und damit zu SH-Gruppen in Proteinen. Auch eine Schädigung der DNA wird beschrieben.
Als organisches Quecksilber sind vor allem die Verbindungen Methylquecksilber (MeHg+) und Dimethylquecksilber (Me2Hg) von Bedeutung. Ihre Toxizität ist seit 1863 bekannt. Es liegt eine hohe Resorption der Verbindungen über die Atemwege und die Verdauungsorgane vor. Methylquecksilber entsteht durch mikrobielle Methylierung z. B. aus natürlichen Quecksilbervorräten im Meeresboden. Bereits kleine Dosen sind sehr giftig und verbleiben über Jahrzehnte im Körper. Methylquecksilberverbindungen erlangten in den 50-er Jahren traurige Berühmtheit, weil sie im japanischen Minamata das Grundwasser vergifteten. Verantwortlich für die Umweltkatastrophe, die Tausenden von Menschen das Leben kostete, war eine Chemiefirma, die ihr Abwasser in die Flüsse leitete.
Um Vergiftungen zu vermeiden, werden im kritischen Expositionsfall als Quecksilberfänger sog. Mercaptane eingesetzt. Schwefelhaltige Komplexliganden wie 2,3-Dimercapto-1-propansulfonsäure (DMPSO) und meso-2,3-Dimercaptobernsteinsäure binden Hg und beschleunigen die Ausscheidung. Hierbei wird die Bindungsaffinität zu Schwefel ausgenutzt. Auch selenhaltige Präparate sind wirkungsvoll.
Obgleich heute alles Mystische und Kuriose über das einst so rätselhafte Element aufgeklärt ist, scheint ein böser und unheilvoller Schatten um das Element geblieben zu sein. Immer wieder wird Quecksilber in verquere Zusammenhänge verstrickt. Der Hg-haltige Konservierungsstoff Thiomersal in früheren Impfstoffen soll Autismus bei Kindern hervorrufen und auf alternativmedizinischen Internetseiten wie z. B. Zentrum der Gesundheit finden sich allerlei merkwürdige Präparate zur Ausleitung von Quecksilber im Körper. Eine Korianderkur ist zwar sicherlich nicht schädlich, jedoch gibt es keinerlei Belege für die Wirksamkeit und es impliziert, dass der Umgang mit ernst zu nehmenden Vergiftungen laienhaft betrieben werden kann.
Literatur:
F. Calvo et al, Evidence for Low-Temperature Melting of Mercury owing to Relativity, Angewandte Chemie International 52, 2013.
H. Dopsch, Paracelsus – Arzt, Philosoph oder Goldmacher? In: U. Müller und W. Wunderlich, Künstler, Dichter, Gelehrte. Mittelalter-Mythen. Band 4. UVK, Seite 950 ff, Konstanz 2005.
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