Farben bereichern unser Leben in vielfältiger Weise und die Fähigkeit Farben zu sehen ist für uns Menschen in der evolutionären Geschichte sogar von lebenswichtiger Bedeutung. Aber wieso sind manche Dinge bunt und andere nicht? Wie entsteht dieser Farbeindruck in unserem Auge? Um das zu verstehen, muss man sich klar machen, was es mit Licht eigentlich auf sich hat.

Licht, Wellenlängen und Energien
Unser sogenanntes „sichtbares Licht“ ist ein nur ein kleiner Teil des Spektrums der elektromagnetischen Strahlung. Aus unserem Alltag kennen wir auch andere Arten von elektromagnetischer Strahlung, wie z. B. die Röntgenstrahlung, Mikrowellen oder Radiowellen. Strahlung kann als Welle beschrieben werden und wird dann durch die Wellenlänge λ charakterisiert. Aus der Beziehung E=h•1/λ geht hervor, dass kurzwellige Strahlung energiereicher ist als länger wellige und dass Strahlung nur diskrete Energiewerte aufweisen kann. Energie gibt es also nur portioniert als Vielfache von h, dem Planck`schen Wirkungsquantum. Damit ist klar, dass Strahlung nicht nur als Welle, sondern auch als Teilchen betrachtet werden kann- und muss. Zum einen kennt man die typischen Welleneigenschaften, wie Überlagerung und die Ausbreitung im Raum, andererseits können einige Phänomene (z. B. der Photoeffekt) nicht erklärt werden, wenn man den Teilchencharakter des Lichts außer Acht lässt.
Unser sichtbares Licht besteht aus Photonen, deren Energie abhängig von der Farbe des Lichts einer Wellenlänge im Bereich von 380-750 nm entspricht.

Farbeindruck und Farbsehen nach der Young-Helmholtz-Theorie
Ein Objekt, das rot erscheint, „verschluckt“ den Teil des Lichts, der eine andere (kürzere) Wellenlänge hat als rote Farbe. Strahlung mit λ≥ 670 nm wird reflektiert und trifft auf die Photorezeptoren in der Netzhaut unseres Auges. Gesehen wird also die Komplementärfarbe zum absorbierten Wellenlängenbereich.

Für das Farbsehen ist unser Auge dabei mit sog. Zapfen beteiligt. Im Normalfall besitzen wir drei verschiedene Zapfenarten: die S-, M-, und L-Zapfen. Diese Sinneszellen reagieren auf Lichtreize von kurzer Wellenlänge (small/rot), mittlerer (medium/grün) und langer Wellenlänge (long/blau). Die Anregungswellenlängenbereiche sind individuell etwas verschieden und überlagern sich zudem, was dazu führt, dass über eine Farbe wie petrol lang diskutiert werden kann. Der eine nennt sie blau, die andere türkis, und wieder andere würden sie als gar dunkelgrün bezeichnen. Selten ist Wissenschaft so uneindeutig.
Um das Dilemma des Farbsehens zu verkürzen, wird die Rolle der Stäbchen und der Ganglienzellen hier unterschlagen, was nämlich zu einem weiteren Definitionsproblem führen würde: Was ist eigentlich dunkel und was ist hell? Ein bisschen mehr dazu gibt es hier: Stäbchen und Zäpfchen: Lichtsinneszellen in der Netzhaut.
Uns interessiert eher, was eigentlich mit dem verschluckten Teil des Lichts in unserem farbigen Objekt passiert. . Dazu müssen wir jedoch genau definieren, um welche Art von Stoff es sich dabei handelt.
Farbigkeit von organischen Farbstoffen
Organische Farbstoffe weisen immer ein ausgedehntes konjungiertes π-System auf. Meist sind es aromatische Systeme mit zusätzlichen funktionellen Gruppen, die sich als π-Donoren am konjungierten System beteiligen. Dadurch verschieben sich die Wellenlängen des absorbierten Lichts in den längerwelligen Bereich. Diesen Effekt bezeichnet man als Bathochromie. Oft werden Farbstoffe dadurch überhaupt erst bunt, denn kleinere π-Systeme (wie z.B. Benzol) absorbieren nicht im visuellen, sondern im UV-Bereich und erscheinen deshalb farblos. Die Energie der absorbierten Strahlung wird dazu verwendet, Elektronen von einem energetisch tiefliegenden Grundzustand in einen angeregten Zustand zu bringen. Welche Zustände das genau sind, ist stoffspezifisch. Alle möglichen Übergänge (z. B. von einem besetzten π-MO in ein unbesetztes π*-MO) unterliegen den Auswahlregeln. Diese sind aus den Übergangsmatrixelementen hergeleitet und geben an, ob ein Übergang erlaubt oder verboten ist. Verboten heißt hierbei aber nicht, dass eine solche Anregung überhaupt nicht stattfindet, sondern nur viel seltener vorkommt. In Bezug auf unsere Farbigkeit entspricht das einer sehr blassen Farbe.
Organische Farbstoffe sind bis auf einige organische Pigmente wie z. B. Indigo im Anwendungsmedium löslich. Durch die Veränderung des π-Systems kann sich die Farbe ändern, eine Eigenschaft, die man z. B. bei Säue-Base-Indikatoren zu Nutze macht. Hier besteht die Veränderung nur durch die Aufnahme oder Abgabe eines Protons.
Bekannte organische Farbmittel sind die Azofarbstoffe. Allurarot wird z. B. zum Einfärben von roten Gummibärchen, Götterspeise oder Brause verwendet.

Farbigkeit von anorganischen Pigmenten
Anorganische Pigmente enthalten immer Metalle. In den allermeisten Fällen sind sie an der Entstehung der Farbigkeit direkt beteiligt.
Auch in anorganischen Farbmitteln kann man die Farbigkeit durch optische Übergänge von einem Grundzustand in einen angeregten Zustand erklären. Allerdings ist die Betrachtung hier komplizierter, weil die Systeme unterschiedlich sind. In manchen Pigmenten finden Übergänge zwischen Metallen in unterschiedlichen Oxidationsstufen statt. Die gemischtvalente Verbindung Berliner Blau Fe4[Fe(CN)6]3 enthält Eisen in zwei verschiedenen Oxidationsstufen: Fe+II und Fe+III. Die Farbigkeit dieser Verbindung resultiert aus Charge-Transfer zwischen den beiden Fe-Spezies. Berliner Blau ist auch als Preußisch Blau in jedem Wasserfarbkasten zu finden.
In anderen Verbindungen, wie z. B. in Kaliumpermanganat KMnO4 finden Übergänge von nichtbindenden Orbitalen des Sauerstoffs auf das hochgeladene Mangan (Mn+VII, d0 Konfiguration) statt. Umgekehrt können Übergänge auch vom Metall auf die Liganden stattfinden.
Auch innerhalb eines Teilchens kann ohne Donor- oder Akzeptor-Wirkung der Liganden Farbigkeit entstehen. Hier finden dann d-d-Übergänge am Metall statt. Ein Bsp. dafür ist das Ti+III– Atom (grün in TiPO4, pink in Ti4P6Si2O25 und blau in TiP3O9).
In Salzen muss man die anstatt der MO-Theorie ein ausgedehnteres elektronisches System betrachten und erklärt die Farbigkeit mit der Bändertheorie. Die Energiedifferenz zwischen Valenz- und Leitungsband nennt man Bandlücke. In farbigen Salzen misst diese Bandlücke 1.7 – 3.2 eV, was dem Energiebereich des sichtbaren Lichts entspricht.

Polarlichter: bezaubernde Übergänge in Gasen
Wer nicht gerne in grauer Theorie verweilt, und wem Chromate und Manganate nicht das Herz höherschlagen lassen, den verzücken vielleicht aber die Polarlichter, die übrigens auch in der Nähe des Südpols zu sehen sind. Hier findet elektronische Anregung in Sauerstoff und Stickstoff aus unserem Atmosphärengas statt. Die Anregung kommt dabei aus elektrisch geladenen Teilchen der Sonnenwinde. Man kann das Lichtspektakel also als Elektronenmeteor bezeichnen.

Ob in fest, flüssig oder in Gasen, Farben prägen unser Leben, unser Empfinden und unsere Sprache. Und sie sind es auf alle Fälle wert, einmal ganz kurz theoretisch betrachtet zu werden.
Literatur:
- A. Einstein, Über die Entwickelung unserer Anschauungen über das Wesen und die Konstitution der Strahlung, in: 81. Versammlung Deutscher Naturforscher und Ärzte zu Salzburg, 1909.
- J. Bleck-Neuhaus,Elementare Teilchen. Von den Atomen über das Standard-Modell bis zum Higgs-Boson. 2. Auflage, Springer 2013.
- E. Goldstein, L. Cacciamani, Sensation and Perception, 11. Auflage, Cengage Learning 2021.
- G. Pfaff, Inorganic Pigments, Walter de Gruyter 2017.
- W. Herbst, K. Hunger, Industrial Organic Pigments, Wiley-VCH 1997.
- D. Suter, Optische Übergänge in Atomen, Molekülen und Festkörpern, TU Dortmund Vorlesung Laserspektroskopie (Exp. Physik III) R. Glaum. M. A. Hitchmann, On the Bonding Behaviour of Transition Metal Ions in Inorganic Solids – Optical and Epr Spectroscopy Studies on Anhydrous Phosphates and Phosphate Silicates of Ti3+, Australian Journal of Chemistry 49(11): 1221-1228, 1996.